FOMO – Kreative KI, kommst du noch mit?
Habt ihr schon FOMO, wenn es um KI und uns Grafikdesigner:innen und Kreative geht? Man kann die Flut der News gar nicht mehr bewältigen. Selbst ich, die sich schon seit Jahren mit dem Thema beschäftigt, verliere den Durchblick. Hier ein paar Gedanken dazu, um einmal kurz durchzuatmen.
Ich fange mal an, wie ich überhaupt auf das Thema gekommen bin und das im Jahr 2019, wo "kreative KI" nur wenigen zur Verfügung stand bzw. man Programmierkenntnisse benötigt, um damit arbeiten zu können. 2018 war ich auf einem Kreativkongress und dort war die Sprache davon, dass man bestimmte Berufsgruppen niemals durch KI ersetzen könnte. Der Speaker zeigte Videos von Robotern, die hinfallen. Aber KI ist doch nicht nur das, sagte ich mir! Also habe ich mich entschlossen, dies zum Thema meiner Masterarbeit im nebenberuflichen Studium zu machen. Das war 2019.
Was ist Kreativität?
Kreativität ist nicht nur uns "Kreativen" vorbehalten – jeder Menschen kann kreativ denken oder es lernen und man kann in allen Bereichen des Lebens kreative Lösungen finden. Ich wollte untersuchen, ob KI-Systeme überhaupt kreativ sein können und was das für Auswirkungen auf unseren Designalltag haben könnte. Also musste ich zunächst den Begriff Kreativität definieren. Ich habe mir alle wichtigen Kreativitätsforscher:innen reingezogen und alle hatten etwas gemeinsam: Sie haben verschiedene Vorstellungen von Kreativität. Toll. Aber das Gute ist, ich habe mir aus den wichtigsten Forscher:innen eine Definition von Kreativität erarbeitet, die ich dann mit Künstlicher Intelligenz vergleichen konnte, insbesondere den generativen Systemen von KI.
Nach Edward de Bono funktioniert das Gehirn und unser kreatives Denken ähnlich einem Computersystem. Daten und Informationen werden verarbeitet, neu codiert und dann zu einer neuen Form von Handlungsmustern abgespeichert.
Mihaly Csikszentmihalyi hat drei Kategorien für die Feststellung von Kreativität festgelegt. Und das hat auch viel mit der aktuellen Zeit zu tun, in der wir leben und wer gerade entscheidet, ob etwas kreativ ist oder nicht. Es gibt seit Jahren Ausstellungen mit KI-Kunst und auch schon erste Designprojekte mit KI. Dabei ist es der Mensch, der den Input gibt, das Training durchführt und die Ergebnisse kuratiert und für die eigenen Zwecke modifiziert.
KI kann also die eigene Kreativität beflügeln, ergänzen, aber nicht ersetzen. Oder?
Wie funktioniert KI?
Die nächste Herausforderung war, mich in das Thema kreative Künstliche Intelligenz einzuarbeiten. Wie funktionieren diese Algorithmen, was brauchen sie und wie entstehen am Ende Bilder? Und das war der Schlüssel zu dem, was mich heute zu einer Art Expertin in diesem Gebiet macht: Ich habe mich dem Thema gestellt und den technischen Hintergrund verstanden. Und das macht es einfacher, mit dem Thema kreative KI umzugehen. Wenn ich nicht weiß, wie eine Technologie funktioniert, dann macht das Angst. Daher habe ich es mir in meinem Buch über KI und Design zur Aufgabe gemacht, andere Kreative aufzuklären und ihnen auf eine besonders ästhetische und unterhaltsame Art und Weise das Thema kreative KI näher zu bringen.
Eine generative KI ist ein Computerprogramm, das auf Basis von Beispieldaten lernen kann, neue Daten zu generieren, die ähnlich sind wie die Trainingsdaten. Die KI lernt dabei, Muster in den Daten zu erkennen und diese Muster zu verwenden, um neue, ähnliche Daten zu erzeugen. Dies kann in verschiedenen Anwendungen genutzt werden, wie beispielsweise zur Generierung von Text, Bildern oder Audio.
Kreative KI – gibt es das?
Gerne wird von kreativen Künstlichen Intelligenzen gesprochen. Aber was bedeutet das und kann eine KI überhaupt kreativ sein? Um es auf den Punkt zu bringen: Kreative KI werden die generativen KI-Systeme bezeichnet, die besonders Bilder und andere audiovisuelle Ergebnisse hervorbringt.
Alles, was die KI generiert, basiert auf menschlichen Daten. Und das ist ja auch oft das, was wir Kreative machen: aus dem was wir erleben, sehen und was uns inspiriert kreieren wir neue Welten und Ideen. Aber natürlich erfinden wir nicht jedes Mal das Rad neu. So ungefähr ist es mit KI. Die aktuellen Systeme lernen noch dazu, mit jeder Nutzung. Wir können Feedback geben und so die Performance verbessern. Aber wer schon mal mit KI versucht hat, einen ganz bestimmten Output zu bekommen, kennt wahrscheinlich die Verzweiflung. Denn so einfach ist es nicht. Knöpfchen drücken und das, was rauskommt, einfach benutzen. Es gehört mehr dazu. Also halten wir fest: KI als Werkzeug für Kreative ist genial. Und ja, es lassen sich Leute ganze Webseiten und Logos usw. von KI-Systemen erstellen. Aber das, was da rauskommt, ist oft generisch und offensichtlich. Wenig Innovation und wenig um die Ecke gedacht. Sondern eben genau das, was der breiten Masse gefallen würde.
FOMO – von der Angst, nicht mehr mitzukommen
Und jetzt, seit 2022 aber besonders in diesem Jahr überschlagen sich die Ereignisse. Jeden Tag neue Tools, Plugins, neue Funktionen und Möglichkeiten. Aus jeder Ecke schreit es, dass man sich dringend mit KI beschäftigen muss und am besten auch sofort nutzen lernt, damit man nicht morgen total im Regen steht.
Ich selbst arbeite schon mit Midjourney, DALL-E und ChatGPT und probiere neue Tools aus. Aber langsam komme ich nicht mehr hinterher. Die Flut ist da und überrollt mich.
Also versuche ich durchzuatmen. In meinem Vortrag bei der AGD Mitlgiederversammlung habe ich allen Kreativen geraten, sich erst einmal zu überlegen, welche Prozesse sie gerne automatisieren oder vereinfachen würden. Und dann gezielt dafür nach Tools suchen und diese auszuprobieren. Nicht jedes neue Tools sofort austesten und dann überlegen, ob es in den Workflow passt.
Sich ganz dem Thema KI zu verschließen bringt niemanden weiter. Aber man darf auch mal kurz innehalten und überlegen, was jetzt sinnvoll ist. Wir sind doch alles kreative, kluge und strategische Köpfe. Lasst uns nicht den Faden verlieren und vor lauter FOMO Zeit verschwenden, die wir in unsere eigene Kreativität stecken können.
Fazit
Ist die Angst etwas zu verpassen also berechtigt? Ja und nein. Man sollte schon im Bilder sein, KI zu verstehen und auch damit einmal zu arbeiten. Dann merkt man schnell, wo die Grenzen sind. Aber man darf sich jetzt auch nicht verlieren und nur noch auf KI setzen oder Angst davor haben, bald keine Aufträge oder Kunden mehr zu haben.
KI ist und bleibt ein Programm, ein Werkzeug. Zugegeben, ein sehr mächtiges, aber es ist und bleibt ein von Menschen gemachtes Werkzeug, das für uns Menschen gemacht wurde.
Ich atme jetzt also mal tief durch und lasse die KI-Welt mal ein paar Tage an mir vorbeiziehen. Nur, um auch mal wieder was anderes zu lesen, zu sehen und zu hören.
Wie geht es euch mit dem Thema? Was beschäftigt euch?
Die Bilder in diesem Post wurden mit Hilfe von Midjourney kreiert.